#92 Andreas Dresen über seinen neuen Kinofilm "In Liebe, Eure Hilde"
Shownotes
In dieser Episode sprechen wir mit Regisseur Andreas Dresen über seinen neuen Kino-Film "In Liebe, Eure Hilde". Der Film erzählt die Geschichte von Hilde Coppi, einer NS-Widerstandskämpferin der "Roten Kapelle". Dresen teilt seine Gedanken über die emotionale Tiefe des Films, den historischen Kontext und die moralischen Herausforderungen, denen Menschen in repressiven Regimen gegenüberstehen. Er betont die Bedeutung von menschlicher Verbundenheit und kleinen, mutigen Taten, die selbst in den schwierigsten Zeiten eine große Wirkung entfalten können. "In Liebe, Eure Hilde" erzählt die Geschichte von Menschen, die mutige Entscheidungen treffen. Dresen verzichtet in seiner Inszenierung bewusst auf dramatische Effekte oder Musik, um eine authentische Erzählung zu schaffen. Im Gespräch beleuchtet Dresen, wie komplexe menschliche Figuren und ihre moralischen Dilemmata in Krisenzeiten dargestellt werden. Nebenfiguren spielen dabei eine zentrale Rolle, indem sie die Vielschichtigkeit der menschlichen Natur veranschaulichen. Zudem verleiht Dresens persönliche Verbindung zur Familie der historischen Figur dem Film eine besondere Authentizität. Der Film spricht auch aktuelle Fragen zu Nationalismus und der Bedeutung der Erinnerung an die Geschichte an und regt das Publikum an, über den eigenen moralischen Kompass nachzudenken.
- Jetzt im Kino. Hier geht es zum Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=oYzg0DfI7xw
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Transkript anzeigen
00:00:00: * Musik *
00:00:03: Tage wie diese.
00:00:06: Alex Bräucher fragt sich und seine Gäste,
00:00:10: was eigentlich gerade los ist.
00:00:12: Herzlich willkommen zu Tage wie diese.
00:00:17: Ich grüße heute Andreas Dresen.
00:00:20: Hallo, guten Tag. - Hallo.
00:00:22: Ja, Andreas, du bist ja ein richtiger,
00:00:26: vielschaffender Regisseur.
00:00:28: Viele Filme, ich hab gelesen,
00:00:30: der neue Film, mit dem wir sprechen, ist ein 28-Selangen-Film.
00:00:33: Oh, das zählt das ehrlich gesagt nicht.
00:00:36: Das kommt mir sehr viel vor.
00:00:38: Aber vielleicht, ich selber fühl da nicht so gut drüber.
00:00:42: Ja, ich hab das gerade noch mal in der Vorbereitung gelesen.
00:00:45: Ja, ich glaube, viele Leute kennen dich.
00:00:48: Jeder hat schon mal ein paar Filme von dir gesehen.
00:00:51: Du stehst ja auch für besondere Filme.
00:00:54: Du bist nicht der klassische Mainstream,
00:00:56: du hast immer Filme mit einem Hintersinn,
00:00:59: mit einem politischen gesellschaftlichen Ansatz.
00:01:02: Und so auch dein neuer Film in "Liebe eure Hilde".
00:01:06: Willst du uns ein bisschen erzählen,
00:01:10: wo es geht, sonst erzähle ich auch.
00:01:12: Also, ich kann es gerne versuchen im "Liebe eure Hilde"
00:01:17: erzählt über das Leben einer Frau,
00:01:19: die im ehemaligen Osten schon namentlich bekannt gewesen ist,
00:01:25: würde ich sagen, und im Westen eher unbekannt.
00:01:28: Ihre Kopie war Widerstandskämpferin in der sogenannten Roten Kapelle.
00:01:34: Und hat dort an verschiedensten Aktionen teilgenommen.
00:01:39: Sie ist eigentlich nicht der klassische Typus
00:01:43: einer Widerstandskämpferin, sage ich mal, Kämpferin.
00:01:46: Klingt bei ihr sowieso sehr seltsam,
00:01:48: weil sie eigentlich eher ein stiller, schüchterner Mensch gewesen ist
00:01:54: und sich selber wahrscheinlich auch nie als Heldin bezeichnet hätte.
00:01:59: Sie hat mit Hans Kopie, mit dem sie verheiratet gewesen ist,
00:02:04: zusammen an verschiedenen Aktionen teilgenommen,
00:02:07: ist dann im Herbst 1942 verhaftet worden,
00:02:12: gemeinsam mit ganz vielen anderen Mitgliedern dieser Gruppe.
00:02:17: Und sie hat dann im Gefängnis ihr Baby bekommen.
00:02:21: Hans Kopie Junior.
00:02:23: Und ist dann sehr tragisch im Sommer, am 5. August 1943,
00:02:29: von den Nazis heringerichtet worden.
00:02:31: Und wir erzählen eigentlich die Geschichte eines Sommers,
00:02:37: der Liebe mit Hans, wo sie für die beiden sehr glücklich waren.
00:02:42: Und dann natürlich auch die Zeit im Gefängnis,
00:02:45: wo sie sehr fürsorglich mit ihrem Baby ist
00:02:50: und daran auch wächst und dann auch Verantwortung für andere mitgefangen
00:02:55: übernimmt, also es ist eine sehr rührende,
00:02:58: sehr menschliche Figur mit einem großen Herzen.
00:03:02: Ja, ich weiß gar nicht, wo ich einsetzen soll.
00:03:06: Du erzählst den Film auch immer wieder mit Rückblenden.
00:03:09: Also immer wieder, du brichst sozusagen auch das Grauen
00:03:13: des Gefängnisaufenhaltes mit dem drohenden Todesurteil,
00:03:17: das du schon gesagt hast, auch immer wieder mit Rückblicke in,
00:03:20: diesen Sommer der Liebe, an den See.
00:03:23: Ich fand jetzt, gehen wir mal zum Beispiel ins Gefängnis,
00:03:27: du hast ja da, also hast du so eine besondere Art gefunden,
00:03:30: das in so einer Stille darzustellen,
00:03:33: die aber sozusagen in ihrer Eindringlichkeit,
00:03:35: auch besonders die Krausung, besonders zeigt,
00:03:38: ohne sie zu inszenieren,
00:03:39: also ohne sie sagen wir mal inszenatorisch hervorzuheben.
00:03:44: Also wir haben versucht, die ohnehin sehr emotionale Geschichte,
00:03:49: die aus sehr aufwühlenden Momenten besteht,
00:03:53: nicht noch emotional zu pushen, sag ich mal,
00:03:56: dass man dem Zuschauer jetzt noch sozusagen
00:04:01: eine große Gefühlswelt suggeriert,
00:04:04: sondern das kommt eigentlich von innen heraus aus dieser Figur.
00:04:07: Der Film hat so gut wie keiner.
00:04:09: Filmmusik, es gibt wenig Großaufnahmen.
00:04:13: Es ist sehr ruhig erzählt und folgt vor allen Dingen Hilde
00:04:18: und damit unsere Hauptdarstellerin, Lüff-Lisa Fries.
00:04:22: Also wir haben versucht, zu einem sehr reduzierten,
00:04:26: sehr schlichten Film zu machen,
00:04:28: was natürlich mit dieser Figur zu tun hat, an der wir uns orientieren.
00:04:32: Ja, also es sind ja oft dann so diese Kleinigkeiten,
00:04:37: an denen man sich erinnert.
00:04:38: Man stellt sich ja Gefängnis immer schrecklich vor,
00:04:42: Gefängnis zur Nazi-Zeit ohnehin.
00:04:44: Sie gebiert inhaft auch noch den gemeinsamen Sohn.
00:04:48: Und da gibt es auch sehr viele Widerstände
00:04:50: und sie ist halt die wahnsinnig liebevolle Mutter.
00:04:53: Und da gibt es Figuren, die sie unterstützen.
00:04:56: Das fand ich auch irgendwie ganz schön,
00:04:58: dass man in dieser Härte und in dieser Kälte
00:05:00: dieser Nazi-Maschinerie auch Menschen findet, die sie unterstützen.
00:05:05: Aber trotzdem natürlich kann man sich vorstellen,
00:05:09: wie schrecklich und wie schlimm das ist.
00:05:11: Also dieses eine Zusammentreffen der beiden in Haft,
00:05:15: als sie so ein, ich weiß nicht, wie man das nennt,
00:05:17: dass sie sich da kurz einmal treffen.
00:05:19: Das kennt man ja auch aus einem modernen Strafvorzug.
00:05:22: Also das geriet einem ja wirklich so richtig unter die Haut,
00:05:26: weil das so man sich quasi vorstellen kann,
00:05:28: unter was von der emotionalen Spannung die stehen.
00:05:31: Ja, also diese Begegnung ist verbürgt.
00:05:34: Also nach der Verhaftung der beiden, also von Hilde und Hans,
00:05:38: haben sie sich nur einmal tatsächlich wiedergesehen,
00:05:41: dass das ein sehr geburtes Kind ist.
00:05:43: Das war im Dezember 1942.
00:05:46: Also Hans Kopie, der Vater, hat sein Kind tatsächlich
00:05:49: nur eine Stunde lang überhaupt gesehen
00:05:52: und man in den Armen halten können.
00:05:54: Und er selber wurde dann gut zwei Wochen später hingerichtet
00:05:57: von den Nazis.
00:05:59: Hilde hat ja noch bis zum Sommer dann das Kind stillen dürfen.
00:06:02: Wie sie dann selber durch das Fallbeil hingerichtet worden ist.
00:06:06: Und das ist natürlich alles unvorstellbar.
00:06:11: Aus heutiger Perspektive.
00:06:13: Das waren sehr viele Situationen, die wir da im Film erzählt haben,
00:06:18: wo es uns tatsächlich sehr schwer gefallen ist, uns das vorzustellen.
00:06:24: Wie geht man damit um, wenn man so etwas erlebt?
00:06:27: Also das sprengt manchmal tatsächlich die Grenzen dessen,
00:06:31: was man noch so imaginieren kann.
00:06:34: Und da sind auch nicht nur vor der Kamera,
00:06:38: sondern auch dahinter durchaus viele Tränen geflossen.
00:06:41: Es war nicht ganz einfach.
00:06:43: Weil man ja auch weiß, das ist eben nicht nur ein Drehbuch,
00:06:47: sondern das ist tatsächlich eine Realität.
00:06:49: Das hat stattgefunden.
00:06:50: Ja, das kann ich mir gut vorstellen.
00:06:56: Denn das ist auch beim Sehen,
00:06:58: fühlt man das ja auch und man fühlt auch die Intensität.
00:07:02: Diesen Film hast du den bewusst zu diesem Zeitpunkt gemacht
00:07:06: oder bist du schon länger an der Geschichte am entwickeln?
00:07:09: Ist das eine Zeit lang irgendwie auf deiner Liste?
00:07:12: Oder ist das jetzt auch ein Statement zur jetzigen Zeit,
00:07:16: wo es einen wieder starken, nationalistischer und rechter Kräfte gibt?
00:07:21: Also das ist es zwangsläufig,
00:07:24: weil der Film kommt jetzt in dieser Zeit natürlich raus
00:07:27: und die Menschen, die ihn jetzt hoffentlich sehen,
00:07:30: werden diese Gedanken im Kopf haben.
00:07:33: Tatsächlich ist es aber so,
00:07:36: dass man einen Kinofilm über viel längere Zeitläufe konzipiert.
00:07:40: Wir haben mit der Arbeit an dem Film schon vor knapp fünf Jahren begonnen.
00:07:45: Und es ist natürlich auch so,
00:07:47: dass ein Kinofilm über die Tagesaktualität hinaus funktionieren muss.
00:07:53: Er muss auch in zehn oder in 20 Jahren noch eine Nachricht
00:07:58: für seine Zuschauer haben und auch in anderen Regionen
00:08:02: dieser Welt funktionieren.
00:08:03: Deswegen haben wir die Geschichte natürlich schon größer gedacht.
00:08:09: Letztendlich trifft sie nun natürlich auf einen Zeitgeist.
00:08:12: Und du hast es ja angesprochen.
00:08:14: Wir haben diese politische Situation
00:08:16: und der Film beschäftigt sich nun mal mit Menschen,
00:08:20: die in sehr schwierigen Zeiten sehr tapfere Entscheidungen getroffen haben.
00:08:25: Und wir haben uns natürlich auch immer gewünscht,
00:08:28: dass man ein bisschen in die Schuhe der Menschen schlüpft,
00:08:31: die in dem Film dazu sehen sind.
00:08:33: Also, weil es natürlich manchmal nur ein kleiner Schritt ist hin zum Verrat.
00:08:41: Also, es gibt ja in den Filmen auch die andere Seite,
00:08:46: die Menschen, die für das Regime arbeiten,
00:08:49: die Gefängniswärter,
00:08:52: die Angefängnisfahrer, Einrichter, die Vernehmer.
00:08:56: Ja, also, und auch da haben wir uns bemüht, sie menschlich zu zeigen.
00:09:01: Es ist ja sehr einfach, sich von einem prügelnden SA
00:09:04: mal zu distanzieren, der da rumschreibt.
00:09:06: Ja.
00:09:07: Aber es heißt ja nicht, dass alle Menschen so waren.
00:09:11: Ich glaube, er im Alltag hat sich das ganz anders angeschaut.
00:09:16: Und ich glaube, so eine Diktatur wie die Nazi-Diktatur,
00:09:20: die steht in der Breite natürlich auch an den herumbrüllenden Verbrechern.
00:09:27: Aber in der großen Zahl steht sie vor allen Dingen
00:09:30: auf der schweigenden Masse, auf den Schultern der Menschen,
00:09:34: die vielleicht aus welchen Gründen auch immer zu Angst sind,
00:09:38: zu ängstlich sind, ihre Stimme zu erheben, etwas dagegen zu sagen
00:09:42: und dann einfach so mitschwimmen.
00:09:44: Die Opportunisten tragen die Diktaturen
00:09:48: und jeder möge sich selber befragen, wenn er in seinem Alltag unterwegs ist,
00:09:52: wo dann dieser alltägliche kleine Opportunismus anfängt.
00:09:56: Da muss man ja nicht in die große Politik gucken.
00:09:59: Schon die Meinungsäußerung gegenüber dem eigenen Chef
00:10:02: kann ja durchaus von Opportunismus getragen sein,
00:10:05: wenn man dann darüber nachdenkt, ob man vielleicht Nachteile hat,
00:10:08: wenn man dieses oder jenes jetzt sagt.
00:10:11: So stellt sich das im politischen Halt auch da.
00:10:14: Insofern bietet der Film hoffentlich ein paar Möglichkeiten,
00:10:18: sich selber abzugleichen mit der eigenen inneren Haltung.
00:10:22: Und das ist, wie du zu Recht gesagt hast, in diesen Zeiten natürlich sehr relevant.
00:10:27: Ja, das finde ich auch.
00:10:29: Und auch noch mal zurück, was du gesagt hast,
00:10:31: diese Menschen, die handelnden Menschen hast du auch doch bewusst nicht,
00:10:34: wie so ein böses Abzibbel dargestellt.
00:10:36: Du nennst die Vernehmer.
00:10:38: Da ist mir schon eine Szene auch in der Runde geblieben,
00:10:41: der ist eigentlich der eine Vernehmer, der versucht es ja auf so eine ganz...
00:10:46: Das kann auch eine Strategie sein,
00:10:48: dass er versucht so auf eine Art mit ihr kumpelig zu sein
00:10:50: und dir das zu entlocken, die Informationen.
00:10:52: Aber dann kommt so einer, der so ein bisschen raubreiniger ist
00:10:55: und da gibt es jetzt keine Gewaltszene,
00:10:57: der wirft einmal ein Schlüsselbund nach ihm.
00:10:58: Aber so, wie es sich erschreckt über diesen kleinen Gewaltausbruch,
00:11:02: diesen kleinen Bruch aus der Realität,
00:11:04: da erschreckt man halt selber mit.
00:11:06: Und wird sich gar nicht vorstellen, wie so eine Szene ablieft,
00:11:09: wie zum Beispiel für ihren Mann, wo er wirklich gefoltert wurde.
00:11:12: Da merken wir schon, wie ausgeliefert so ein Menschlein
00:11:16: in so einem fiesen Situation wie einem Verhörder in einem Gefängnis oder so ist.
00:11:19: Wie viel Macht da über Menschen ausgeübt wird und so weiter.
00:11:25: Genau, also wir wollten dafür natürlich ein Gefühl geben.
00:11:28: Und der Film spart natürlich auch besonders gegen Ende hin
00:11:32: auch die Grausamkeit dieses Regimes ja keineswegs aus, ganz im Gegenteil.
00:11:37: Also...
00:11:39: Und trotzdem beginnt es manchmal im Kleinen.
00:11:41: Es beginnt mit dem Werfen eines Schlüsselbundes.
00:11:44: Und auch einen Richter, der in unserem Fall jetzt ein Todesurteil spricht.
00:11:50: Und das mit einem freundlichen Tonfall tut.
00:11:54: Das macht es keineswegs besser.
00:11:56: Also es ist trotzdem grausam.
00:11:58: So und wie gesagt, der Schritt hin zur Anpassung und manchmal zum Verrat,
00:12:05: der ist eben nur ein ganz kleiner und das finde ich die entscheidende Frage,
00:12:11: sich da selbst zu betrachten.
00:12:13: Das Kino hat ja zum Glück die Möglichkeit, dass wir in einem geschützten Raum
00:12:17: in andere Zeiten in schwierige Verhältnisse reinreisen können.
00:12:21: Wir können mit der Titanic untergehen und trotzdem trockene Füße behalten,
00:12:25: sag ich mal. Aber wir können uns vorstellen, wo wir da gewesen wären.
00:12:29: Hätten wir mit der Bordkapelle da auf dem Oberdeck gestanden und wären mit untergegangen
00:12:34: oder hätten wir uns vielleicht noch ein fremdes Kind gegriffen,
00:12:37: um uns in ein Rettungsboot zu schleichen.
00:12:39: Ja, also das sind ja so die Fragen, die man im Kino in einem geschützten Umfeld
00:12:46: sich selber stellen kann.
00:12:47: Und deswegen sind historische Filme natürlich auch von daher interessant,
00:12:52: weil sie zugespitzte Verhältnisse zeigen.
00:12:54: Und uns ging es auch keineswegs darum, irgendwie so eine Art Nazi-Museum zu errichten,
00:13:00: sondern junge Leute in widersprüchlichen Situationen zu zeigen.
00:13:04: Ja, das stimmt. Das Schöne ist, dass du sagst, Nazi-Museum, das hat man ja auch tatsächlich oft.
00:13:09: Deswegen, du bleibst auch sozusagen in den Farben, also als ganz naturalistisch.
00:13:14: Und da hast du nicht diesen klassischen, das klassische Sepeer drüber gelegt,
00:13:18: was ja man oft in diesen Filmen so andekuriert.
00:13:22: Genau, du hast auch über die anderen Figuren gesprochen
00:13:28: und du hast gesagt, der Richter fällt das Urteil im Grunde mit einer Heiterkeit.
00:13:32: Da muss man ja immer an Hannah Arendt denken, an die Banalität des Bösen.
00:13:36: Das ist irgendwie letztendlich das, was viele in der Verteidigung nachher gesagt haben.
00:13:41: Ich war nur ein Rädchen im Getriebe, ich musste meinen Job machen,
00:13:43: es wäre ich selber dran gewesen.
00:13:46: Ich war nur in einer Kette von meinem Finger.
00:13:49: Das sehen wir, glaube ich, nicht so und du hast zurecht auch gesagt,
00:13:51: man soll seinen moralischen Kompass schärfen.
00:13:54: Aber das zeigt der Film natürlich auch.
00:13:56: Das sind halt nicht immer nur, das sind halt nicht jetzt Teufel inszeniert,
00:14:00: sondern als ganz normale Menschen.
00:14:02: Ja, das war uns, wie gesagt, sehr wichtig
00:14:06: und sich auf den Befehlensnotstand sozusagen zu berufen,
00:14:10: ist natürlich nachvollziehbar, sage ich mal klar.
00:14:14: Wenn man als Soldat desertiert, wird man unter Umständen erschossen.
00:14:19: Also es ist mit, es ist alles mit einem hohen Risiko behaftet
00:14:23: und das das integere Verhalten von von Hilde und ihren Freunden.
00:14:29: Das verschweigt der Film ja nicht, das haben sie letztendlich mit ihrem Leben bezahlt.
00:14:32: Ja, also und nicht jeder ist so tapfer.
00:14:36: Also und trotzdem fängt Solidarität oder Mitgefühl
00:14:42: eben auch möglicherweise gar nicht an so großen Punkten des Lebens an,
00:14:46: sondern unter Umständen an, ganz klein.
00:14:50: Also man sieht ja im Film zum Beispiel auch die Mutter von Hilde,
00:14:55: die ist ja eine einfache Frau, Hilde und ihre Mutter kommen aus dem Purgatariat,
00:15:00: das waren keine reichen Leute.
00:15:02: Aber sie geben eben einer jüdischen Frau der ehemaligen Schwiegermutter von Hilde,
00:15:09: geben sie von dem Wenigen, was sie haben, noch ganz viel mit,
00:15:14: damit sie irgendwie in ihrem Versteck was zu essen hat.
00:15:17: Also das sind so die kleinen Momente, sage ich mal,
00:15:20: vielleicht reicht es nicht bei einem selber zu großen,
00:15:24: widerständischen Geist, aber auch die kleine kann einen großen Wert haben.
00:15:27: Ja, ja.
00:15:30: Noch mal zu anderen Figuren, die mir auch so in Erinnerung geblieben sind,
00:15:34: beispielsweise der Arzt, der auch, sagen wir mal, im Krankenhaus,
00:15:38: dann Entscheidungen für sie trifft, dass sie das Kind nicht weggenommen wird,
00:15:41: sondern dass sie es länger stillen darf und dann sich da auch gegen
00:15:44: Widerstände durchsetzen oder zum Beispiel die Gefängniswärterin, die natürlich auch
00:15:47: auch eine große kleine Rollart oder eine kleine große.
00:15:52: Ist das auch eine historische Figur oder habt ihr Aufzeichnungen darüber gehabt
00:15:57: oder habt ihr nichts schon?
00:15:59: Ja, also das ist Analyse Kühnen, die
00:16:04: Werterin, die da im Film dargestellt wird von Herrn Vorragen,
00:16:08: von der tollen dieser Wagen, herfind ich, die mit ganz wenigen Worten und ganz wenigen Gästen da
00:16:14: eine Figur in ihrer Entwicklung zeigt.
00:16:18: Analyse Kühne ist eine historisch belegte Figur.
00:16:22: Allerdings die historisch belegte Analyse Kühne war sehr, sehr hilfreich für die Gefangenen.
00:16:27: Die hat Kassiba raus und reingeschmuggelt und
00:16:31: Dinge ins Gefängnis gebracht für die gefangenen Frauen.
00:16:36: Also die war, ich würde fast sagen, eine Art Engel hat ganz viel geleistet.
00:16:42: Leila hat in ihrem Drehbuch Leila Stieler, die Autorin hat, für diese Figur,
00:16:48: die im Film zu sehen ist, zwei Werterfiguren zusammengelegt,
00:16:52: die historische Analyse Kühne, die man tendenziell eher gegen Ende des Filmes sieht.
00:16:58: Und zu Anfang ist es eine andere Werterin, die eine ziemlich strenge Werterin war,
00:17:04: die auch schon in der Weimarer Republik im Gefängnis war und die von den Gefangenen gefürchtet worden ist.
00:17:10: Und Leila hat aus diesen beiden Figuren eine Art Entwicklungsfigur gemacht.
00:17:16: Die Analyse Kühne, die es historisch gab, die entsteht quasi in dieser etwas regideren Werterin.
00:17:22: Sie ist einfach sehr beeindruckt von dem, wie Hilde Verantwortung übernimmt für ihr Kind,
00:17:29: später auch für Mitgefangene und solidarisiert sich dann doch mehr und mehr.
00:17:35: So anfangen beruft sie sich immer wieder auf ihre Vorschriften und dann öffnet sie sich.
00:17:40: Und das fanden wir halt sehr spannend, weil man auch die Möglichkeit sieht,
00:17:46: wie auch ein Mensch sich aus einem vorgegebenen Konzert, aus einem vorgegebenen Muster,
00:17:51: befreit nach und nach und dann selber am Ende doch bereit ist, etwas zu tun.
00:17:58: Ja, und ich finde es umso erstaunlicher, weil ja ganz oft in diesen Apparaten
00:18:05: oder in der Diktatur oder in anderen Apparaten in den Macht nicht kontrolliert ist,
00:18:09: Menschen, die Macht ausüben dürfen, ohne dass ihnen
00:18:14: einen Schaden oder eine Repressalietrot, das ja manchmal tun.
00:18:19: Da gab es ja nach dem Krieg auch diese Experimente in so einem Versuchsauffau.
00:18:25: Das eine war ein Ärzte und dem anderen ein anderer Mann sollte jemand anderen
00:18:29: Elektrostöße zufügen.
00:18:31: Und da haben so manche doch auch Leute gequält, wenn der Arzt, also die Autoritäten nur gesagt
00:18:38: machen, so wie ich weiter, das ist kein Problem, sie kriegen keine Ärger, das soll so sein.
00:18:42: Und man hat sich ja nach dem zweiten Weltkrieg auch die Frage gestellt,
00:18:45: wieso sagen wir mal normale deutsche Sebastian werden konnten.
00:18:48: Und ich glaube, es ist immer dieses Problem, wenn zu viel Macht
00:18:51: auch über Menschen herrscht und man das ungesünt sozusagen ein Sadismus ausüben kann, den aber
00:19:00: nicht jeder hat natürlich.
00:19:01: Und diese Figur, die du nennst, hat ja trotz ihrer Machtfülle
00:19:04: unglaublich viel getan, euch liebe.
00:19:07: Und da muss ich direkt fragen, sie nimmt ja am Ende das Kind.
00:19:11: Das ist auch real?
00:19:15: Das ist eine verbriefte, reale Situation?
00:19:18: Ja, also das Kind tatsächlich, Hilde hat ja auch da, sie sagt dann ja, sagen sie der
00:19:26: Schwiegermutter, sie soll die Regentonne abdecken, dass sie da nicht reinfallen kann.
00:19:30: Das sind verbriefte Dinge.
00:19:32: Und tatsächlich ist das Kind nicht wie viele andere Kinder, die im Gefängnis geboren worden
00:19:37: sind in dieser Zeit.
00:19:38: Viele andere Kinder sind im Heim gelandet.
00:19:41: Der kleine Hans-Copy-Junior zum Glück nicht, wurde an die Mutter von Hilde übergeben,
00:19:49: die allerdings etwas mehr als ein Jahr später bei einem Bombenangriff, einen Herzinfarkt
00:19:55: erlitten hat.
00:19:56: Und dann ist er tatsächlich bei der Mutter von Hans-Copy groß geworden und er hat dann
00:20:02: später in der DDR gelebt.
00:20:04: Er lebt auch heute noch, er ist jetzt weit über 80, er ist historiker geworden und er hat
00:20:09: sehr viel zur Geschichte der sogenannten roten Kapelle und auch natürlich zur Lebensgeschichte
00:20:14: seiner Eltern geforscht und ist ein ganz wunderbarer Mann.
00:20:18: Er war uns natürlich auch ein ganz, ganz wichtiger Partner für diesen Film klar.
00:20:22: Ach toll, ihr habt mir ihn persönlich sprechen können und er hat es entwickelt.
00:20:25: Ja, wir sind bis heute mit ihm in Kontakt.
00:20:28: Er war natürlich für Leila Stieler beim Schreiben des Drehbuches eine der wichtigsten
00:20:35: Informationsquellen.
00:20:36: Er hat uns aber nicht nur sein Archiv, sondern ich würde mal sagen vor allen Dingen sein
00:20:42: Herz geöffnet.
00:20:43: Ja, also ich war auch später mit unserer Hauptdarstellerin, Lef-Lisa Fries bei ihm und es war
00:20:50: sehr rührend.
00:20:51: Er hat dann so in einer Plastiktüte die wenigen Fotos gehabt von seinen Eltern, die wir schon
00:20:58: kannten, aber es war sehr rührend, wenn wir sie dann auf dem Tisch vor uns ausgebreitet
00:21:04: hat wie so einen großen Schatz und wir haben sie uns gemeinsam angeschaut und ich habe
00:21:10: ihn immer ganz fasziniert beobachtet, weil er so ein fragiler, hochgewachsen, ein bisschen
00:21:16: verschmitzter, feiner Mann ist und ich dachte immer, ja, den hat Hilde gut hingekriegt.
00:21:23: Das ist einfach ein guter Mensch und man konnte in ihm auch seine Mutter sehen und das war
00:21:32: ganz wunderbar und hat mich sehr berührt und es war dann ganz schön, er hat den Film
00:21:39: natürlich später gesehen, als er noch nicht ganz fertig geschnitten war, war ein sehr
00:21:42: bewegender Moment, weil er natürlich mit einer Phase seines Lebens da konfrontiert gewesen
00:21:48: ist, die er zwar erlebt hat, aber an die er sich natürlich nicht erinnern konnte.
00:21:53: Er war neun Monate alt, als seine Mutter hingerichtet worden ist und er hat sich sehr gefreut über
00:22:00: den Film und das war bewegend, er hat dann so die Faust in den Kinohimmel gereckt und
00:22:08: es muss ein später Moment von Gerechtigkeit für ihn gewesen sein und wir schossen da
00:22:15: die Tränen in die Augen und vielen anderen glaube ich auch und denke, das sind so Momente
00:22:21: für die macht man Filme.
00:22:23: Toll, ja Wahnsinn, toll.
00:22:26: Ja, das klingt unheimlich gut.
00:22:28: Ich würde sagen, wir haben so viel erzählt, wir verlinken wie immer alles in den Show-Nords,
00:22:33: es gibt da schon mal den Trailer, ihr könnt euch die Spielstätten anschauen, ich glaube
00:22:37: er läuft in vielen Häusern, denn ich habe überall schon Plakate gesehen, das geht ja auch nicht
00:22:41: so üblich, die Litwas-Säulen in Berlin zumindest zieht man ihn sehr präsent.
00:22:46: Lieber Andreas, ich danke dir herzlich für das Gespräch, für die vielen intensiven Eindrücke,
00:22:52: die Hintergründe und überhaupt danke, dass du mit uns so lange sprechen konntest.
00:22:57: Ich bedanke mich auch, lieber Alex.
00:23:00: Vielen herzlichen Dank.
00:23:02: Tage wie diese.
00:23:04: Alex Bräucher fragt sich und seine Gäste, was eigentlich gerade los ist.
00:23:10: [Musik]
00:23:16: [Hupen]
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